Frühe Jahre

Gründung

Eine Chronik über die Musikgesellschaft Gettnau zu schreiben hat so ihre Tücken. Obschon die Protokolle in einer ausserordentlich schönen und gestochen scharfen Handschrift zu Papier gebracht wurden, sind die alten Schriften heute kaum mehr lesbar. Auch sind sämtliche Protokolle aus den ersten Gründungsjahren nicht mehr vorhanden, so dass über die eigentliche Gründung von 1879 bis zum Jahre 1884 keine schriftlichen wie auch keine mündlichen Überlieferungen mehr vorhanden sind. Das erste vorhandene Protokoll stammt daher erst vom 23. August 1884. Die frühesten heute vorhandenen Protokolle waren über hundert Jahre verschollen und tauchten erst durch Zufall 1987 wieder auf.

Stehend (v.l.n.r.): Lichtsteiner; Robert Willimann; Alois Schwegler; Alois Müller, Lehrer; Joh. Jos. Schnyder, Posthalter Sitzend (v.l.n.r.): Jakob Brun, Schneider; Xaver Arnet, Ziegelhaus; Josef Blümli, Pfisterhus, Bäckerei; Anton Brühlmann, Josef Jost, Hinter-Fahrberg
Jahreskonzert 2016

Erste Grossauftritte

Laut Protokollbuch wurde am 24. Februar 1909 erstmals ein Konzert im Ochsensaal aufgeführt. Nach grosser Mühe und viel Arbeit kam dieses Konzert zustande und soll bei einem Eintrittspreis von 70 Rappen ein grosser finanzieller wie auch musikalischer Erfolg gewesen sein. Zwei Jahre später folgte dann ein Konzert mit Theater. Zu diesem Zweck wurden Kulissen und Theaterszenarien angeschafft und der damalige Wirt zum Ochsen wurde verpflichtet, in den bestehenden Tanzsaal eine Bühne auf eigene Kosten einzubauen und zu erhalten. So war dem Verein die Möglichkeit gegeben, regelmässig Konzerte, teilweise mit Theater, auf einer geeigneten Bühne darzubringen. Schon bald befasste man sich auch mit dem Gedanken, ein Gartenfest im Restaurant Bahnhof durchzuführen. Dieses musste aber mehrmals infolge schlechten Wetters abgesagt werden. Als es dann endlich im August 1929 abgehalten wurde, regnete es wieder in Strömen, was der Festfreudigkeit der Musikanten und der Besucher aber keinen Abbruch tat. Nur der am Lebkuchenstand verkaufte Lebkuchen gab zu Beschwerden Anlass, da dieses achttägige Backwerk verschiedenen Personen Magenschmerzen verursachte.

Wenn einer eine Reise tut

Wie den Protokollen zu entnehmen ist, wurde jedes Jahr ein Vereinsausflug unternommen. So bereiste man einige Teile der Schweiz mit der Bahn, zu Fuss und später mit dem Car. Aber auch mit Privatautos wurden Ausflüge unternommen. Wer jedoch bereits anfangs des 20. Jahrhunderts ein eigenes Auto besass, geht aus den Protokollen nicht hervor. Allerdings füllen die Reiseberichte der verschiedenen Ausflüge zahlreiche Seiten in den Protokollbüchern. So führte die Reise beispielsweise 1912 mit zwanzig Personen über den Gotthard. Bis Göschenen benutzte man die Bahn, der Rest wurde zu Fuss zurückgelegt.

Musikreise 2015 auf der Bannalp

Neue Mitglieder, Neue Statuten

Ein grosses Anliegen war dem Verein von jeher auch das Anlernen von Jungmusikanten. Schon früh wurden von vereinseigenen und besonders fähigen Musikanten musikbegeisterte junge Leute ausgebildet und sobald diese die Tonleiter beherrschten, wurden sie in den Verein aufgenommen. So wuchs der Verein ständig und praktisch jedes Jahr konnten mehrere junge Musikanten in die Gesellschaft aufgenommen werden.

Erste Ehrenmitglieder

An Silvester 1926 wurden die ersten Musikanten zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft ernannt. In Anerkennung ihrer treuen Dienste um den Verein fiel diese Ehre drei Mitgliedern zu. Dabei handelte es sich um: Gottfried Fischer, Robert Marbach und Adolf Meier. Dies war natürlich ein trifftiger Grund, eine grosse Feier zu Ehren dieser Musikkameraden abzuhalten. So wurde der Aktuar damit beauftragt, den frischgebackenen Ehrenmitgliedern diese frohe Kunde zu überbringen und sie zu einem Umtrunk in den Gasthof Ochsen einzuladen. Hier wurden die Verdienste der Geehrten und gleichzeitig auch der Jahreswechsel bis in die frühen Morgenstunden hinein gebührend gefeiert und die Freude der Geehrten soll grenzenlos gewesen sein.

Neue Uniform 1986

Die finanzielle Situation der Musikgesellschaft

Die Finanzen der Musikgesellschaft wurden in den Anfängen mit allen möglichen Mitteln aufgebessert. So wurde zum Beispiel an Weihnachten 1884 bei Freunden und Gönnern eine Sammlung durchgeführt, die einen Betrag von 55 Franken ergab. Als grosser finanzieller Erfolg wurde auch das Weihnachtsblasen bezeichnet, das erstmals 1908/1909 durchgeführt wurde und einen Gewinn von 250 Franken abwarf. Gleichzeitig sollen die Musikanten mit ihren Melodien den Dorfbewohnern eine grosse Freude ins Haus gebracht haben. Aber auch wer in die Musikgesellschaft aufgenommen werden wollte, musste tief in die Tasche greifen. Jeder musste sein Instrument selber berappen und gleich zeitig ein Eintrittsgeld von zwei (später fünf) Franken bezahlen. Wer den Verein aus nichtigen Gründen verliess, musste den für die damaligen Verhältnisse recht hohen Betrag von zehn (Jahre später zwanzig) Franken bezahlen. Das unentschuldigte Fehlen oder zu spätes Erscheinen an die Probe oder an die Generalversammlung wurde mit einer Geldbusse von zwanzig bis fünfzig Rappen bestraft. Diese Bussgelder gaben jedoch zu zahlreichen Eintragungen ins Protokollbuch Anlass, da sich die Betroffenen oft weigerten, diese Bussen zu bezahlen und somit hart angefasst werden mussten. Besonders schwierig dürfte der Einzug der Bussgelder bei Musikanten gewesen sein, die vom Verein ausgeschlossen wurden, was erstaunlicherweise mehrmals geschah. Hier musste in besonders hartnäckigen Fällen gar der Friedensrichter beigezogen werden, der dann nach einer gütlichen Lösung für alle Beteiligten suchte. Hocherfreut zeigte sich die Musikgesellschaft auch über den Gemeindebeitrag von fünfzig Franken, der dem Verein 1916 gewährt wurde. Auch Passivbeiträge müssen schon recht früh eingezogen worden sein. Allerdings ist aus den Protokollen nicht ersichtlich, wann diese eingeführt wurden. Bekannt ist aber, dass 1933 infolge der schlechten Wirtschaftslage der Passivbeitrag von zwei Franken um fünfzig Rappen reduziert wurde. Natürlich haben alle genannten Beträge im Laufe der Jahre sich mehrmals geändert. Sie wurden immer wieder der vorherrschenden wirtschaftlichen Situation angepasst.

Eine Uniform wird angeschafft

Ende 1931 wurde beschlossen, eine Uniform anzuschaffen. Diese wurde von der Uniformfabrik Bern hergestellt und schon damals mussten die Musikanten von Haus zu Haus ziehen und die Dorfbewohner um einen Beitrag für die geplante Anschaffung angehen. Allerdings reichte der zusammengetragene Betrag nicht aus, um die ganze Uniform zu finanzieren. Um jedoch die Finanzlage der Musikgesellschaft nicht zu sehr zu belasten wurde beschlossen, dass jeder Musikant die Uniformhose selber berappen muss. Die komplette Uniform mit Rock, Hose und Tasche kam auf 137 Franken zu stehen. Die Einweihung der neuen Uniform fand dann am 24. April 1932 anlässlich eines Familienabends statt. Viel zu diskutieren gab dann auch die Frage nach einer fotografischen Aufnahme mit der neuen Uniform. Um einen möglichst günstigen Preis für ein Gruppenfoto auszuhandeln, wurde jedes Mitglied dazu verpflichtet, eine Fotografie zum Preis von fünf Franken zu kaufen.

Neuuniformierung 1932

Einweihung der Pfarrkirche

Als grosses Fest wird der Glockenempfang für die neu erstellte Pfarrkirche beschrieben. Die vier Glocken wurden am 25. August 1933 bei der Wegkreuzung Willisau/Ettiswil in Empfang genommen und unter musikalischen Klängen durch das ganze Dorf geführt, bevor die feierliche Einweihung der Glocken vor der Kirche stattfand. Selbstverständlich war die Musikgesellschaft dann auch an der Einweihung der Kirche vom 22. September 1933 aktiv beteiligt und selbst der anwesende Bischof soll von ihrem Spiel sehr angetan gewesen sein.

Eine rege Vereinstätigkeit

Die Vereinstätigkeit war äusserst vielseitig. Neben den obligaten Proben, Konzerten, Familienabenden, Kilbi, Gartenfesten und Platzkonzerten im Unterdorf und Oberdorf, scheint es tatsächlich so, als ob die Musikanten daneben noch ständig im Einsatz gewesen wären. Marschmusikproben führten durch das ganze Dorf, Garettenrennen wurden veranstaltet, Maskenbälle und «Tanneschleipfete» organisiert, an Ostern und Pfingsten frühmorgens ein Ständchen auf dem Kühberg gegeben und selbstverständlich umrahmte der Verein sämtliche kirchlichen und weltlichen Feiern mit musikalischen Klängen. Ab 1907 trat die Musikgesellschaft regelmässig auch an der Bundesfeier auf, um mit patriotischen Melodien an die Gründung des Schweizerbundes zu erinnern. Ein besonderer Anlass war wohl jeweils am Auffahrtstag der Umritt nach Ettiswil, wenn die Musikanten hoch zu Ross an der Prozession teilnahmen und jeweils vor dem Umritt mit ihren Rossen einen Rundgang machten, um diese an die Musik zu gewöhnen. Silvester wurde jedes Jahr gemeinsam im Gasthof Ochsen oder im Restaurant Bahnhof gefeiert und unzählige Hochzeitsständchen fanden die ganzen Jahre über verteilt statt. Stand dann nichts mehr auf dem Programm, plante man einen so genannten Ausmarsch über den Bodenberg nach Ohmstal oder in andere benachbarte Gemeinden. Und natürlich durfte das Instrument dabei nie fehlen.

Idealismus und Kameradschaft

Die unglaublich starke Präsenz des Vereins lässt darauf schliessen, dass sämtliche Musikanten von einem ungeheuren Idealismus beseelt gewesen sein müssen und neben der Freude an der Musik muss auch die Kameradschaft und die Geselligkeit einen äusserst hohen Stellenwert eingenommen haben. Andernfalls wären die zahlreichen Aufgaben und Auftritte, welche die Musikanten ständig zu bewältigen hatten, mit Sicherheit nicht so erfolgreich über die Bühne gegangen.

Unterbruch der Vereinstätigkeit

Leider gab es nicht immer heiteren Sonnenschein im Verein. Insbesondere während dem 2. Welt-krieg wurden mehrere Musikanten eingezogen und die Proben mussten für längere Zeit eingestellt werden. In dieser Zeit hatte es der Verein nicht einfach und diverse Unstimmigkeiten trübten das Vereinsleben. Auch 1954 zogen schwarze Wolken auf. Wegen unberechtigten Schuldzuweisungen und Schuldübertragungen auf den Vorstand demissionierten sämtliche Vorstandsmitglieder und es stellte sich kein neuer Vorstand zur Verfügung. Die Instrumente wurden vorübergehend auf der Gemeindekanzlei deponiert.


Nach eineinhalb Jahren ohne Dorfmusik versammelten sich am 22. Dezember 1955 ehemalige Mitglieder der Musikgesellschaft Gettnau zu einer ausserordentlichen Generalversammlung im Schulhaus. Neben der Wahl eines neuen Vorstandes und eines Dirigenten bildete unter anderem die Tilgung der vorhandenen Schulden ein Traktandum dieser Generalversammlung. Zu diesem Zweck sollte beim Gemeinderat um eine Erhöhung des Jahresbeitrages nachgesucht werden. Diese Versammlung schloss der neugewählte Präsident mit dem Wunsch, dass ein jeder sich einsetzen möge, um über die Schwierigkeiten hinwegzukommen.

30.03.2021 Heinrich Arnet